Neubau Ferienhütte "Tuass", Triesen, FL

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Einleitung / Geschichte / Erläuterungen zu 'Tuass'

 

'Tuass' liegt auf 1434 m.ü.M. im Liechtensteinischen Alpengebiet, in der Gemeinde Triesen. Bei der Ortsbezeichnung handelt es sich um einen Flurnamen.

Bis in die 1940er-Jahre gab es dort mehrere Hütten, die ähnlich wie ein 'Maiensäss' verwendet wurden. Im Gegensatz zu einem Maiensäss waren diese Hütten sehr klein und es gab nur einen Raum, der im Sommer mit Heu gefüllt wurde. Dieses Heu wurde dann - wenn das Heu im Winter im Tal knapp wurde - in einer sehr gefährlichen Aktion mit Hornschlitten über die sehr steilen Wege ins Tal gebracht.

Den Sommer über verbrachten die Bauernfamilien so lange auf dem 'Heuberg', bis das Gras gemäht war. Nur einige Hütten ('Kochhütten' genannt) verfügten über eine Feuerstelle. In diesen Hütten wurde gemeinsam gekocht; übernachtet haben die Leute im Heu ihrer eigenen Hütten.

Die Ansammlung mehrerer Hütten an einem Ort scheint auf den ersten Blick etwas merkwürdig. Der Grund dafür, dass alle Hütten an einem Ort gebaut wurden, ist jedoch ganz einfach: Die Parzellen, die für das 'Heuen' verwendet wurden, sind sehr lang (und reichen z.T. über mehrere hundert Höhenmeter), jedoch sind sie nur einige zehn Meter breit. Da die meisten dieser Parzellen in Gebieten liegen, die durch Erdrutsche und Lawinen gefährdet waren, mussten die Hütten auf einer anderen (fremden), sicheren Parzelle gebaut werden. So haben sich die Hütten der Besitzer der Parzellen im umliegenden Gebiet an einem Ort gesammelt. Das wurde bereits vor über 200 Jahren so organisiert. Die genossenschaftsartige Organisation von 'Tuass' hat also schon eine lange Tradition.

Nachdem sich die wirtschaftliche Situation Liechtensteins in den Nachkriegsjahren nach dem Zweiten Weltkrieg stetig verbesserte, verloren die landwirtschaftlich genutzen Flächen in den Bergen immer mehr an Bedeutung. Deshalb zerfielen die meisten Hütten in diesen gebieten ungenutzt. Durch die exponierte Lage von Tuass mit seiner atemberaubenden Aussicht hielt der Zerfall der Hütten jedoch nicht lange an: In den 1950er-Jahren wurden die ersten Hütten zu Ferienzwecken umgebaut. In den 1960er- und 1970er-Jahren wurden auch viele zerfallene Hütten abgebrochen und durch neue Hütten ersetzt. Diese neuen Hütten haben nicht mehr viel mit der ursprünglichen Bautradition des Orts zu tun.

 

 

Ausschnitt aus "Geschichte der Gemeinde Triesen" über die "Heuberge"

Autor: Josef Büchel

Erscheinungsjahr: 1988 - 1989

Herausgeber: Gemeinde Triesen

Band 1, Kapitel "9. Alpen und Heuberg"

Quelle der Abbildungen: https://www.eliechtensteinensia.li/viewer/object/000031605/1/

Bautradition kurz zusammengefasst

 

Ursprünglicherweise wurden die Hütten in einer Strickbau-Konstruktion mit einem Pfettendach aus vor Ort gefällten Fichtenstämmen gebaut. Das Dach wurde mit Lärchenschindeln gedeckt, wobei die Pfetten als Lattung diente. Ausser einer Türe gab es keine Öffnungen.

Dass so keine Hütte für Ferienzwecke aussehen kann, liegt auf der Hand. Ich habe es mir jedoch zur Aufgabe gemacht, die Bautradition in die heutige Zeit und auf die Nutzung für Ferienzwecke zu übersetzen - dabei aber den Regeln der jahrhundertealten Tradition so gut wie möglich zu folgen.

Wesentliche Elemente der Bautradition, die für die neue Hütte übernommen wurden:

  1. Strickbauartige Konstruktion aus unbehandeltem, lokalen Holz
  2. Pfettendach
  3. Steildach mit talseitigem First
  4. Eingeschossiger, kompakter Typus
  5. Türöffnung talseitig, mittig

 

 

 

Zur Erklärung

 

Das Grundstück auf Tuass befindet sich seit Generationen im Besitz meiner Familie. Etwa ein Jahr vor dem Projekt habe ich die Parzelle geerbt. Schon immer war es mein Traum, dort eine neue Hütte zu bauen. Durch das Erasmus-Projekt (weiter unten beschrieben) wurde das für mich finanziell überhaupt erst möglich. Da die rohe Holzbaukonstruktion im Rahmen dieses Erasmus-Projekts ausgeführt wurde, wurde diese auch durch die beteiligten Akteure finanziert. Den Innenausbau musste ich selbst finanzieren. Dadurch, dass ich fast alles mit der Hilfe von Freunden selbst gebaut habe, haben sich die Kosten jedoch fast ausschliesslich auf Materialkosten beschränkt.

 

 

 

 

Entwuf

 

Die generelle Form der Hütte wurde von mir entworfen und 2014 nach intensiven Abklärungen mit den Baubehörden zur Baubewilligung gebracht.

Ein einziges Element wurde aus Gründen des Brandschutzes (weil die Hütten auf Tuass sehr nahe beieinander stehen) nicht bewilligt: Die Dacheindeckung aus handgespaltenen Lärchenschindeln. Deshalb habe ich mich für eine Schindeleindeckung in Aluminium des Fabrikats „Prefa“ entschieden, die sehr langlebig ist und nicht ein flächiges Bild erzeugt, wie dies beispielsweise bei einer Eindeckung aus gefalzten Kupferbahnen der Fall ist.

Im Rahmen eines Erasmus-Intensivprogramms gab es dann einen Sommer-Workshop. Bei diesem Programm nahmen 32 Studierende aus verschiedenen europäischen Ländern teil - auch ich war einer der Teilnehmer (und zugleich Bauherr). Die Aufgabe bestand darin, eine Konstruktion für die Fassade zu entwickeln, die sich von der Bautradition ableiten lässt, jedoch neu interpretiert wird. Es wurden von den Studenten vor Ort 'Mockups' gebaut und nachdem ich mich für eine Konstruktion entschieden habe, wurde mit dem Bau begonnen. Leider spielte das Wetter diesen Sommer nicht mit und die Arbeiten gingen nur sehr langsam voran - und konnten nicht innerhalb des Workshops abgeschlossen werden. Die Frommelt Zimmerei aus Schaan, die das Projekt während des Workshops begleitet hatte, stellte dann den rohen Holzbau fertig.

 

 

 

Fertigstellung / Innenausbau

 

Nachdem die rohe Holzbaukonstruktion (Aussenwände und Dachkonstruktion) fertiggestellt wurde, war die Beteiligung der Universität Liechtenstein und der Frommelt Zimmerei zu Ende. Ich plante den weiteren Innenausbau und baute mit Freunden - die in verschiedenen handwerklichen Berufen tätig sind - die Hütte fertig. Arbeiten, die ich selbst nicht ausführen konnte, vergab ich an Firmen, die offen dafür waren, dass ich diese Arbeiten mit ihnen zusammen ausführe. Konkret handelte es sich dabei um die Schreinerarbeiten, die Dacheindeckung und die normgerechte Installation des Holzherds. Im Herbst 2014 wurden die Fenster, Türen und die Dacheindeckung angebracht, damit die Hütte erstmal winterfest ist.

Nachdem 'Tuass' im Frühjahr 2015 nicht mehr eingeschneit war, gingen die Innenausbauarbeiten weiter. Die Bauarbeiten dauerten (in Abend- und Wochenendarbeit) bis im Sommer 2016 an. Im Sommer 2017 wurden die Umgebungsarbeiten abgeschlossen. Da wir alles selbst gemacht haben, haben die Arbeiten sehr lange angedauert. Das Gefühl, in einer selbstgebauten Hütte zu sein, ist jedoch all den Aufwand Wert. Nicht zu sprechen, von all den Erfahrungen, die ich durch den Bau machen durfte. Ich habe dadurch sehr viel gelernt - auch für meine zukünftige Laufbahn als Architekt.

 

 

 

Zahlen und Fakten

 

Masse:
Länge: 5 m
Breite: 5 m
Traufhöhe: 2.5 m

 

Materialien:
Einheimisches Holz
Die Farbigkeit wird ausschliesslich durch die Kombination verschiedener, einheimischer Holzarten erzeugt. (Siehe genauere Beschreibung weiter unten.)

 

Wandkonstruktion:

Interpretation einer Strickbaukonstruktion: aus unbehandelten Latten (Fichte, 6x6cm) und unbehandelten, Brettern (Fichte, 3x14cm) in Handarbeit zugeschnitten, ausgenommen und gefügt

Winddichtungsmembran

Wärmedämmung (8 cm MW)

Dampfbremse

Täferung, liegend, Fichte sägeroh, ungefast

 

Dachkonstruktion:

Interpretation eines Pfettendachs mit eng zusammenliegenden Pfetten: Abgetreppte Konstruktion mit 'Pfetten' à sieben stehenden Brettern (Fichte, 3x14cm) in Handarbeit zu Brettschichtträgern vernagelt und nach der Logik der Wandkonstruktion verzahnt und gefügt.

Damit die Konstruktion von Innen sichtbar bleibt, wurde der Dachaufbau auf den Pfetten wie folgt ausgeführt:

Dampfbremse auf Pfetten

Wärmedämmung MW 12-20cm

Schalung Dreischichtplatte

Unterdachbahn

Konterlattung / Hinterlüftung

Schalung N+K

Dacheindeckung 'Prefa'

 

Bodenkonstruktion:

Vorgefertigtes Holzbauelement:

Innen sichtbare, abgeschliffene und geölte Dreischichtplatte, Lärche

Balken mit Zwischendämmung, Zellulosefaser, eingeblasen, 24 cm

Duripanel-Platte zum Schutz vor Feuchtigkeit und Nagetieren an Unterseite

Das Bodenelement liegt auf sechs betonierten Einzelfundamenten, die im Terrain bis auf den Fels reichen.

 

Möbel:

Alle in Handarbeit hergestellt:

Tisch: Esche massiv, geölt

Bank: Esche massiv, geölt

Sideboard:

Ablagefläche: Esche massiv, geölt

Fronten: Dreischichtplatte, geölt

Küchenmöbel:

Arbeitsfläche: Esche massiv, geölt

Fronten: Dreischichtplatte, geölt

 

Beheizung:

Holzherd

 

Stromversorgung:

Autark durch Solaranlage

Überschüssige Energie wird tagsüber in Batterien eingespeist, um in der Nacht ebenfalls Strom nutzen zu können.

 

Wasserversorgung:

Keine.

Wasser kann beim Gemeinschaftsbrunnen am Ort bezogen werden.

 

Räume:

Hauptraum: ca. 12 m2

Schlafraum: ca. 5 m2

Abstellraum: ca. 3.5 m2

 

 

 

DANKE

 

Meinen Freunden, die die Realisierung als Eigenbau ermöglicht haben:

Martin Negele, Thomas Feger, Moritz Sprenger, Patrick Matschek, Werner Ostermann, Nikolaus Falz-Fein, Lukas Marxer, Matthias Stauber, Matthias Schaub, Benjamin Finkbeiner

 

Den teilnehmenden Studierenden des Erasmus-Projekts:

für die Mitarbeit und das Engagement

 

Der Universität Liechtenstein:

die das Projekt möglich gemacht hat

 

Der Zimmerei Frommelt, Schaan

für die grosszügige Unterstützung

 

Den Hüttenbesitzern von Tuass

für die Unterstützung